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Agostino
DRITTES BUCH
Erstes Kapitel
Nach Karthago kam ich und von allen Seiten umtoste mich das ekle Gewirr schändlicher Liebeshändel. Noch liebte ich nicht, doch suchte ich Liebe, und aus einem tieferen und besseren Liebesbedürfnis zürnte ich mir, dass ich wenig liebesbedürftig war. Im Drange nach Liebe suchte ich den Gegenstand meiner Liebe und hasste die Sicherheit und den Weg ohne Fallstricke. Du selbst, o mein Gott, hattest mir eingepflanzt in das Herz einen Hunger, der du selbst bist die Speise des Herzens; dieser Hunger aber war nicht lebendig in mir, sondern ich war ohne Sehnsucht nach unvergänglicher Speise, doch nicht, weil ich etwa erfüllt war von ihr, sondern je leerer ich war, desto mehr widerstand sie mir. Deshalb siechte meine Seele, und in ihrem Elend warf sie sich hinaus in die Außenwelt, gierend nach sinnlicher Reizung. Wohl würde auch das Sinnliche nicht geliebt werden, wenn es nicht beseelt wäre; aber Lieben und Geliebtwerden, es war mir am köstlichsten, wenn ich auch den Körper der Geliebten genießen konnte. So trübte ich den Quell der Freundschaft mit dem eklen Schlamme der Sinnenlust, ihren reinen Glanz verdunkelte ich durch höllische Lüste, und so abscheulich und ehrlos ich war, so wollte ich doch im Übermaß der Eitelkeit für fein und gebildet gelten. So stürzte ich mich hinein in die Liebe, die mich fesseln sollte. Du aber, o mein Gott und mein Erbarmer, wie hast du mir in deiner Güte diese Süßigkeit vergällt! Denn ich wurde geliebt, und insgeheim verstrickte ich mich in die Fesseln des Genusses und ließ mich mit schmerzbringenden Banden umgarnen, um dann gepeitscht zu werden von den glühenden Eisenruten der steten Eifersucht, des Argwohns, der Furcht, des Zorns und des Zwistes.
Zweites Kapitel
Auch die Schauspiele rissen mich hin, weil sie erfüllt waren von Bildern meines eigenen Elends und neuen Zunder boten für mein brennendes Herz. Wie kommt es doch, dass der Mensch den Schmerz sucht beim Anblick von tragischen Szenen, Schmerzen, die er doch selbst nicht erleiden möchte? Und doch will er im Zuschauen Schmerz erleiden, und der Schmerz selbst ist es, der ihm Wonne schafft. Was ist dies anders als klägliche Torheit? Und umso mehr wird jemand von ihnen erregt, je weniger er von solchen Leidenschaften frei ist. Leidet er sie selbst, so pflegt er sie Leid, leidet er sie mit anderen, so pflegt er sie Mitleid zu nennen. Was aber bezweckt ein solches Mitleid bei szenischen Dichtungen? Der Hörer wird nicht zur Hilfe herbeigerufen, nur zum Schmerz wird er eingeladen, und das ist der beste Schauspieler, der den größten Schmerz zu erregen weiß. Und gelangweilt und verdrossen geht er hinweg, wenn jene menschlichen Leiden, die entweder weit hinter uns liegen oder ganz und gar erdichtet sind, so dargestellt werden, dass der Zuschauer keine schmerzliche Regung empfindet; wird dagegen sein Mitgefühl in hohem Grade erregt, so bleibt er in Spannung und freut sich unter Tränen. So kann also auch der Schmerz gelebt werden, während doch jeder Mensch die Freude sucht. Und wenn auch das Leiden an und für sich keinem gefällt, so gefällt ihm doch das Mitleid. Weil dies aber ohne Schmerz unmöglich ist, so werden vielleicht nur um deswillen die Schmerzen geliebt. Das aber hat in jenem Quell der Freundschaft seine Begründung. Doch wohin eilt dieser Quell, wohin fließt er? Warum verläuft er sich in einen wilden Pechstrom, der kochend heraufsteigen lässt die entsetzliche Glut aufwallender scheußlicher Gelüste, in welche er sich verwandelt und verkehrt, abgelenkt und hinabgestürzt von himmlischer Klarheit durch den eigenen sündigen Gang? Soll aber darum das Mitleid verworfen werden? Keineswegs, denn nur so kann der Schmerz zuweilen geliebt werden. Aber hüte dich, meine Seele, vor der Unreinigkeit, unter dem Schutz meines Gottes, des Gottes unserer Väter, des Preiswürdigen, in alle Ewigkeit Erhabenen, ja hüte dich vor Unreinigkeit. Auch jetzt bin ich nicht mitleidslos; damals aber im Theater freute ich mich mit den Liebenden, wenn sie die Frucht ihrer Schande genossen, obgleich sie es nur spielweise im Theater aufführten. Wenn sie einander verloren, so trauerte ich mit ihnen, als sei ich wahrhaft mitleidig, und doch erfreute mich beides. Ich aber nahm einen größeren Anteil an dem, der in der Schande seine Freude fand, als widerführe ihm Hartes durch den Abbruch verderblicher Lust und die Einbuße elenden Glückes. Das aber ist das wahrhaftige Mitleid, in welchem der Schmerz keinen Genuss findet. Denn obgleich durch die Pflicht der Nächstenliebe Mitleid an und für sich geboten ist, so wünscht der von aufrichtigem Mitgefühl Beseelte doch lieber keine Ursachen, solchen Schmerz zu empfinden. Denn gäbe es ein böswilliges Wohlwollen, was freilich unmöglich, dann könnte auch der, welcher wahrhaft aufrichtiges Mitleid hegt, wünschen, es gäbe Leidende nur zu dem Zwecke, Mitleid empfinden zu können. So kann also ein Schmerz wohl gebilligt, nie aber darf er geliebt werden. Denn du, mein Herr und mein Gott, bist es, der die Seelen liebt, und zwar weit reiner denn du, dessen Mitleid ein unvergängliches ist, weil du von keinem Schmerze verwundet wirst. Und wer ist hierzu tüchtig! Aber ich Unseliger liebte den Schmerz und suchte nach einem Gegenstande für meinen Schmerz, da mir die Darstellung eines Schauspielers bei fremdem, erlesenem, unwahrem und vorgegaukeltem Schmerze am besten gefiel und mich umso mächtiger anzog, je mehr er mir Tränen entlockte. Was Wunder, wenn ich unglückliches Lamm, von der Herde abirrend und deiner Flut mich entziehend, durch hässliche Räude entstellt ward. Daher stimmt meine Liebe zum Schmerz, doch nicht solchen Schmerzen, die mich tiefer durchdringen, war es doch keineswegs mein Wunsch, das Geschehene selbst zu erleiden, nur oberflächlich wollte ich von der gehörten Dichtung berührt werden. Und doch folgte, wie bei denen, die sich mit den Nägeln zerkratzen, brennende Geschwulst, Fäulnis und ekler Eiter. Das war mein Leben, o mein Gott; war denn das aber überhaupt ein Leben
Drittes Kapitel
Doch ob meinem Haupte umschwebte mich dein treues göttliches Erbarmen von fern. Wie verfaulte ich in großen Sünden und ging nach frevelhaftem Fürwitz, der mich, da ich dich verließ, in trügerische Tiefen führte und zum Gehorsam gegen dämonische Mächte verleitete, die mich überlisteten und denen ich als Opfer meine Schandtaten darbrachte und all dies diente mir zur Züchtigung. Sogar bei der Feier des dir geweihten Dienstes innerhalb der Mauern deiner Kirche vermaß ich mich, fleischliche Lüste zu lieben und mich um Früchte des Todes zu bewerben. Deshalb schlugst du mich mit schweren Strafen; doch ich erkannte nicht die Größe meiner Schuld, du mein erhabener Erbarmer, du mein Gott, der meine Zuflucht vor den bösen Feinden, unter denen ich mich vermessenen Hauptes umhertrieb, um mich weit von dir zu entfernen; deine Wege waren nicht die meinigen, und ich liebte die flüchtige Freiheit. Auch jene wissenschaftlichen Studien, die man für ehrenvoll hielt, hatten ihr Anziehendes für mich, besonders im Hinblick auf Rechtshändel, damit ich mich in ihnen je trügerischer, umso lobenswerter auszeichnete. So groß ist die Blindheit der Menschheit, dass sie sich sogar ihrer Blindheit rühmt. Schon glänzte ich in der Rednerschule und stolze Freude erfüllte mich darob, und meine Hoffart nahm zu, wenn auch mehr Maß haltend, du weißt es, o Herr! und zugleich fern von solchen Verwüstungen, welche anrichteten jene "Wüstlinge"; dies ist ihr Name, ominös und teuflisch gilt er gleichsam als Kennzeichen feiner Bildung. Unter ihnen lebte ich in schamloser Scham, weil ich noch nicht ihre Verderbtheit erreicht hatte; mit ihnen verkehrte ich und freute mich über ihre Freundschaft, und doch schreckte ich zurück vor ihren Taten, vor ihren wüsten Streichen, womit sie frech der Einfalt Unerfahrener nachstellten, die sie irrezuführen suchten und mit denen sie in teuflischer Schadenfreude ihr frevelhaftes Spiel trieben. Nichts ist den Taten der teuflischen Mächte ähnlicher, und mit vollem Rechte heißen sie "Wüstlinge", selbst gänzlich verdorben und verkehrt durch die trugvollen Mächte, die sie unbemerkt verhöhnen und verführen, lieben sie es, nun auch andere auf gleiche Art zu verhöhnen und zu verführen.
Viertes Kapitel
Im Umgange mit solchen Menschen beschäftigte ich mich, der damals noch Unmündige, mit den Schriften der Beredsamkeit, in der ich mich auszuzeichnen strebte, in verwerflicher und eitler Absicht zur Frönung menschlicher Eitelkeit; in der herkömmlichen Folge geriet ich auf die Schrift eines gewissen Cicero, dessen Sprache, nicht dessen Geist wohl alle bewundern. Dieses Buch enthielt eine Ermahnung zur Philosophie und war "Hortensius" betitelt. Dieses Buch wandelte meinen Sinn, kehrte, o Herr, mein Gebet zu dir und gab meinen Wünschen und meinem Sehnen eine andere Wendung. Plötzlich sank zusammen all meine eitle Hoffnung, und mit unglaublichem Herzensdrang ersehnte ich unsterbliche Weisheit und ich machte mich auf, zu dir zurückzukehren. Denn nicht um die Sprache zu verfeinern nahm ich dies Buch vor, wie es das Geld, welches die Mutter dafür ausgab, - der Vater war nämlich zwei Jahre vorher gestorben - für den nun neunzehnjährigen Jüngling bezweckte, nein, nicht deshalb benutzte ich jenes Buch, nicht der Stil, sondern der Inhalt war es, welcher mich gewann. Von welch glühender Sehnsucht ward ich nun erfasst, o mein Gott, wie entbrannte ich, mich über den Staub der Erde zu erheben und aufzuschweben zu dir, und ich wusste nichts von deinem Ratschluss! Bei dir ist die Weisheit. Die Liebe zur Weisheit heißt nun in griechischer Sprache Philosophie, und jene Schrift feuerte mich dazu an. Menschen aber gibt es, die uns durch die Philosophie verführen, indem sie ihre Irrlehren mit einem großen, lockenden und ehrenvollen Namen färben und schmücken, und fast alle früheren und zeitgenössischen Philosophen werden in dem Buche aufgeführt und charakterisiert. Dies bestätigt deines Geistes heilsame Mahnung, die du aussprachst durch deinen frommen und getreuen Knecht: Sehet zu, dass euch niemand beraube durch die Philosophie und lose Verführung, nach der Menschen Lehre und nach der Welt Satzungen und nicht nach Christo; denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. Damals, du weißt es, Licht meines Herzens, freute ich mich besonders, da die apostolischen Worte mir noch nicht bekannt waren, über jene Mahnung, weil ich nicht diese oder jene philosophische Richtung, sondern die Weisheit selbst, in welcher Form sie mir auch entgegentrat, liebte, sie aufsuchte, verfolgte und fest und innig umschloss. Mächtig ergriffen ward ich durch jene Schrift, entzündet und entflammt war ich, nur dies stieß mich trotz solcher hohen Begeisterung zurück, dass der Name Christi nicht darin enthalten war. Denn nach deiner Barmherzigkeit, o Herr, hatte mein Herz in zarter Kindheit mit der Muttermilch den Namen meines Erlösers eingesogen und unvergesslich festgehalten, und was diesen Namen nicht enthielt, so gelehrt, so fein und wahr es auch immer sein mochte, es konnte mich nicht mit ganzer Seele erfassen.
Fünftes Kapitel
Daher beschloss ich, mich an die heilige Schrift zu wenden, um ihr Wesen und ihren Wert zu ergründen. Und siehe, ich erblicke in ihr, was nicht erforscht von den Hoffärtigen, nicht enthüllt ist den Unmündigen, sondern was niedrig beim Eingang, erhaben beim Fortgang und verschleiert ist von Geheimnissen; ich aber war nicht also beschaffen, dass ich hätte in die Tiefe eindringen oder den Nacken hätte beugen können, um ihrer Spur zu folgen. Denn ich fühlte damals nicht, als ich die Schrift las, wie ich jetzt rede; die Schrift schien mir unwürdig, mit der ciceronianischen Würde nur überhaupt verglichen zu werden. Meine Aufgeblasenheit scheute ihr Maßhalten und mein Scharfblick drang nicht ein in ihre Tiefen. Und doch war sie derart, dass sie mit den Kleinen wachsen sollte; ich aber verschmähte dieser Kleinen einer zu sein, und geschwollen von Stolz, dünkte ich mich groß zu sein.
Sechstes Kapitel
Ich geriet deshalb unter Menschen voll wahnsinniger Überhebung, voll Fleischeslust und Geschwätzigkeit, in deren Munde Schlingen des Teufels waren und ein Vogelleim, bereitet aus einer Mischung toter Buchstaben deines Namens und des Herrn Jesu Christi und unseres Trösters, des heiligen Geistes. Diese Namen wichen nicht von ihren Lippen; aber es war nur leerer Schall und Wortgeklingel, und ihr Herz war ohne die Wahrheit. Und doch war "Wahrheit" und immer wieder Wahrheit ihr Losungswort und viel sprachen sie nur von ihr, aber Wahrheit war nicht in ihnen. Lügen sprachen sie nicht nur von dir, der du wahrhaftig die Wahrheit bist, auch von den Elementen dieser Welt, deiner Schöpfung, über welche ich auch die wahren Ansichten der Philosophie verlassen musste, aus Liebe zu dir, mein höchster und bester Vater, Schönheit alles Schönen. O Wahrheit, Wahrheit, wie sehnte sich damals mein Geist in seinen innersten Tiefen nach dir, wenn jene mir mit Wort und Schrift ohne Aufhören von dir redeten. Lockspeisen waren es nur, die mir, da ich nach dir Hunger hatte, statt deiner Sonne und Mond reichten, deine schönen Werke, doch deine Werke nur, nicht du selbst noch deine erstgeschaffenen. Denn vor jenen körperlichen Geschöpfen, wie herrlich sie auch am Himmel erglänzen, waren deine geistigen. Ich aber hungerte und dürstete auch nach jenen erstgeschaffenen Werken nicht, sondern nach dir allein, der du die Wahrheit bist, bei welchem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis. Hirngespinste wurden mir in jenen Lockspeisen dargeboten; besser noch wäre es gewesen, jene Sonne zu begehren, die wenigstens vor unseren Augen wirklich scheint, als jene Truggebilde, die unsere Seelen durch das Auge berücken. Und doch genoss ich damals, dieweil ich dich meinte, nicht gierig davon, da du nicht schmecktest in meinem Munde, wie du wirklich bist; du warst nicht in jenen Truggebilden begriffen, keine Nahrung gewährten sie mir, sie erschöpften mich nur mehr und mehr. So ist die Speise, die wir im Traume genießen, der Speise, die wir im Wachen zu uns nehmen, ganz ähnlich, und doch werden die Schlafenden nicht davon gesättigt, sie schlafen eben. Jene Gebilde aber waren dir, wie du mir jetzt geoffenbart bist, ganz und gar unähnlich; denn es waren sinnliche Vorstellungen, schöne Bildungen auf Grund jener wahren Körper, die wir mit leiblichen Augen sehen und die viel zuverlässiger sind, sie mögen nun hier auf der Erde sich befinden oder am Himmel. Wir erblicken sie ebenso wie die Tiere und die Vögel, und sie haben größere Wirklichkeit, als wenn wir sie uns denken. Und wiederum denken wir sie uns mit größerer Wirklichkeit, als wenn wir aus ihnen andere größere, ja unendliche Wesen uns ableiten, die überhaupt nicht sind. Mit solchen nichtssagenden hohlen Begriffen ward ich damals abgespeist und doch nicht gespeist. Du aber, meine Liebe, für die ich schwach bin, damit ich stark sei, hast deinem Wesen nach nichts mit jenen Körpern gemein, die wir sehen, obgleich sie am Himmel sind, noch mit denen, die wir dort nicht sehen, weil du sie geschaffen hast, noch zählst du sie zu deinen höchsten Schöpfungen. Wie weit entfernt bist du nun gar von jenen meinen Hirngespinsten, jenen Scheingebilden, die gar nichts sind. Eine größere Gewissheit bilden die Vorstellungen von Körpern, welche sind, und gewisser noch als diese sind die Körper selbst, an denen jedoch dein Wesen unteilhaft ist; selbst die Seele bist du nicht, die das Leben des Körpers ist, wenn auch dies Leben der Körper besser ist als der Körper selbst. Du aber bist das Leben der Seelen, das Leben der Leben; du lebst dich selbst in steter Gleichheit Leben auch meiner Seele. Wo warst du nur damals und wie weit entfernt? Weit hinweg war ich gegangen von dir; die Trebern, damit ich die Säue nährte, waren mir selbst versagt. Wie weit besser waren da noch die Märlein der Grammatiker und Dichter als jene Schlingen, Verse und Dichtungen, die dahinschwebende Medea, sie war gewisslich nicht so schädlich wie jene Elemente, die wegen der fünf Höhlen der Finsternis fünf verschiedene Farben haben und gar nicht sind und den, der daran glaubt, zugrunde richten. Jene Verse und Dichtungen wurden mir Mittel zu echter Geistesnahrung. Wenn ich auch vortrug, Medea sei durch die Luft geflogen, ich hielt es doch nicht für wahr und glaubte es nicht, auch wenn andere es vortrugen; jenes aber habe ich wirklich geglaubt. Wehe! Wehe mir, auf welchen Stufen ward ich hinabgeführt in die Tiefe der Hölle! Denn ich rang und sehnte mich nach der Wahrheit, als ich dich, meinen Gott, ich bekenne es dir, der du barmherzig warst mit mir, auch als ich dich noch nicht bekannte, als ich dich, mein Gott, suchte, nicht mit der Erkenntnis des Geistes, damit du mich über das Tier erheben wolltest, sondern aus fleischlichem Sinn. Du aber warst tiefer als mein lnnerstes und höher als mein Höchstes. Ich traf auf jenes wilde törichte Weib, jenes salomonische Rätsel, das da sitzet in der Tür ihres Hauses auf dem Stuhl und spricht: Das verborgene Boot ist niedlich und die verstohlenen Wasser sind süße. Diese hat mich verführt, da sie mich fand draußen mit dem Auge meines Fleisches, wie ich wiederkäute, was ich mit jenem verschlang.
Siebentes Kapitel
Denn ich kannte das andere nicht, was wirklich ist, und beinahe aberwitzig reizte es mich, törichten Betrügern beizupflichten, wenn sie mich fragten, woher das Böse stamme, ob Gott durch körperliche Gestalt begrenzt werde, ob er Haare und Nägel habe, ob man solche für gerecht halten könne, die Vielweiberei getrieben, Menschen getötet und Tiere geopfert hätten. Dadurch ward ich Unkundiger verwirrt, und da ich mich von der Wahrheit entfernte, rühmte ich mich, ihr näher zu treten, weil ich nicht wusste, dass das Böse nur eine Schmälerung des Guten ist, bis es zuletzt gar nicht mehr ist. Wie hätte ich dies erkennen können, ich, dessen Sehen mit leiblichen Augen nur auf den Körper, mit den Augen des Geistes nur auf Trugbilder gerichtet war? Ich wusste nicht, dass Gott ein Geist sei, der keine Glieder besitze von räumlicher Ausdehnung und keinen festen Stoff an sich habe, weil ein Teil des Stoffes kleiner ist als das Ganze und weil, gesetzt er wäre unbegrenzt, der Teil doch durch einen begrenzten Raum beschränkt, kleiner ist als das Unendliche und nicht überall ein Ganzes wie der Geist, wie Gott. Und wer der Gottähnliche in uns sei, demzufolge die Schrift uns "zum Bilde Gottes" geschaffen nennt, das war mir gänzlich unbekannt. Unverstanden blieb auch die wahre innere Gerechtigkeit, die nicht nach dem Gesetz der Gewohnheit richtet, sondern nach dem untrüglichen Gesetz des allmächtigen Gottes, nach welchem sich bilden sollen die Sitten der Länder und Zeiten, wie es deren Eigentümlichkeit angemessen ist, während das göttliche Gesetz selbst überall und stets dasselbe ist und nicht nach Ort und Zeit sich wandelt; nach ihm sind Abraham, Isaak, Jakob, Moses, David und alle jene gerecht, welche Gott selbst gerechtfertigt hat. Und von den Unkundigen werden sie für ungerecht gehalten, weil diese richten nach einem menschlichen Tage und alle Sitten des Menschengeschlechts nur einseitig nach ihrer Sitte beurteilen. Ist das aber nicht gerade so, wie wenn jemand, der von Waffen nichts versteht und von ihrer Benutzung nichts weiß, sein Haupt mit der Beinschiene bedecken und mit dem Helme den Fuß rüsten will und der murrt, weil sich nichts anpassen will, oder wenn für einen Nachmittag Gerichts- und Handelsferien festgesetzt sind und er dann unzufrieden wäre, dass er nachmittags nichts feilbieten könne, da es doch vormittags erlaubt gewesen; oder darüber, dass er in einem Hause irgendeinen Sklaven etwas verrichten sieht, was der Mundschenk nicht verrichten darf, oder wenn irgendetwas hinter dem Stalle geschieht, was bei Tisch nicht schicklich ist, und er darüber zürnen wollte, dass nicht allen dasselbe zuerteilt und erlaubt sei, obgleich es ein und dasselbe Haus und ein und dasselbe Gesinde ist? Solch Geistes Kinder sind diejenigen, welche unwillig sind, wenn sie vernehmen, dass in jenem Zeitalter den Gerechten von Gott etwas erlaubt gewesen sei, was jetzt denen, die gerecht sein wollen, nicht mehr gestattet ist, und dass Gott diesen und jenen verschiedene Gesetze gab nach den Zeitumständen, während sie beide derselben Gerechtigkeit dienten, wenn sie sahen, wie bei denselben Menschen an demselben Tage in demselben Hause dies dem einen Gliede und jenes dem andern schicklich ist und anders schon lange erlaubt war, was nach einer Stunde nicht mehr erlaubt ist, dass irgendetwas in einem Winkel erlaubt oder geboten sei, was in einem andern mit Recht verboten oder gestraft wird. Ist denn die Gerechtigkeit wandelbar und ausständig? O nein, nur die Zeiten, über welche die Gerechtigkeit thront, sie fließen nicht in gleichem Strome dahin, denn es sind Zeiten. Die Menschen freilich, deren Erdenleben nur eine kurze Spanne Zeit umfasst, sie vermögen die Zustände früherer Jahrhunderte und anderer Völker, die sie nicht erlebt haben, mit den von ihnen durchlebten nicht in Einklang zu bringen in ihrem Sinn, ob sie auch an jedem Körper, Tage oder Gesuche zu erforschen wissen, was jedem Gliede schicklich sei, sowie jedem Augenblick und jedem Mitglied des Hauses, diesem fügen sie sich, an jenem nehmen sie Anstoß. Dies wusste ich damals weder, noch erkannte ich es. Überall trat es mir entgegen, und ich sah es nicht. Ich trug Gedichte vor und durfte das Versmaß nicht nach Belieben feststellen, sondern musste in einer den jeweiligen Umständen angemessenen Weise verfahren und konnte auch, wenn es dasselbe Versmaß war, nicht immer denselben Versfuß setzen. Die Kunst selbst, die mir als Richtschnur diente, enthielt nicht nur diese oder jene Versart, sondern alle zugleich. Und doch sah ich nicht ein, dass die göttliche Gerechtigkeit, der gute und fromme Menschen untertan waren, in weit herrlicherer und erhabenerer Weise alle Vorschriften enthält und keinerlei Schwankung zeigt und doch zu verschiedenen Zeiten nicht alles zugleich, sondern nur das ihnen Zukommende zuerteilt und befiehlt. Ich Blinder tadelte die frommen Väter, nicht bloß, weil sie so, wie Gott ihnen befahl und eingab, die Gegenwart anwendeten, sondern auch, wenn sie so weissagten, wie Gott ihnen die Zukunft enthüllte.
Achtes Kapitel
Hat man es wohl je für ein Unrecht gehalten, Gott zu lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt und den Nächsten als sich selbst? Darum sind Schandtaten, die wider die Natur sind, immer und überall zu verabscheuen und zu bestrafen als solche, die denen Sodoms gleichkommen. Begingen alle Völker solche, so würden sie nach dem göttlichen Gesetze derselben Strafe verfallen, da sie nicht dazu geschaffen sind, um auf solche Weise Missbrauch zu üben. Die Gemeinschaft, welche wir mit Gott haben sollen, wird verletzt, wenn die Natur, deren Schöpfer er ist, durch widernatürliche Lust befleckt wird. Die Vergehen aber, insofern sie sich nur auf die Sitten der Menschen erstrecken, sind nach der Verschiedenheit der Sitten zu meiden, damit der Brauch, welchen Gemeinde oder Volk durch Gewohnheit oder Gesetz festigte, durch keine Zügellosigkeit eines Bürgers oder Fremden verletzt wird. Denn schändlich ist jedes Glied, das nicht mit seinem Ganzen übereinstimmt. Wenn aber Gott gegen Sitte und Brauch einiger Menschen etwas verordnet, so ist sein Gebot, auch wenn es dort noch nie geschehen ist, doch zu vollführen, doch zu erneuern, wenn es bisher unterlassen, und einzuführen, wenn es bisher noch nicht eingeführt war. Wenn schon ein König die Macht hat, in dem Staate, über den er herrscht, Befehle zu erteilen, die vorher weder ein anderer noch er selbst erteilt hat, und es nicht gegen das Staatsrecht ist, Gehorsam zu leisten, im Gegenteil eine Verweigerung des Gehorsams Rechtsverletzung wäre, denn Gehorsam gegen den König ist der Kardinalpunkt des bürgerlichen Rechtes, um wie viel mehr gebührt Gott, dem König der gesamten Schöpfung, zweifellos Gehorsam allen seinen Befehlen gegenüber. Denn wie bei den Mächten der menschlichen Gesellschaft die größere Macht Gehorsam von der kleineren verlangt, so verlangt Gott von allen Gehorsam. Ebenso ist es bei den Freveltaten, deren Ausgangspunkt Schadenfreude ist; sei es, dass man dem andern Schmach oder Unrecht zuzufügen sucht, oder beides, wo Rachsucht vorhanden, wie der Feind dem Feinde; oder um sich der andern Hab und Gut anzueignen wie der Räuber, wenn er den Wanderer beraubt, oder auch um ein Übel abzuwenden wie einer, der Furcht empfindet; oder wenn Neid die Triebfeder ist, wie der Unglückliche aus diesem Grunde dem Glücklichen zu schaden sucht; oder bei glücklichem Fortgang einer Sache aus Furcht und Ärger über den Wetteifer eines anderen; oder auch aus reinem Vergnügen an fremdem Leid wie der Zuschauer gegenüber den Gladiatoren bei den Fechterspielen oder wie der Schöker und andere hämische Leute. Dies sind die hauptsächlichsten Sünden, die hervorgehen aus der Fleischeslust und der Augenlust und hoffärtigem Leben, entweder aus einem oder aus zweien oder auch aus allen zugleich; so wird gesündigt wider drei und sieben derlei Gebote, wider deinen Psalter mit den zehn Seiten, gegen dein Gesetz, du höchster und herrlichster Gott! Können wir dich denn alle durch Freveltaten beleidigen, der du doch nicht verletzt wirst, oder welche Verbrechen können wir gegen dich verüben, dem zu schaden unmöglich? Du aber strafst die Sünden der Menschen, weil sie im Sündigen gegen dich auch gegen ihre eigenen Seelen sündigen und ihre Bosheit sich selbst belügt durch Verderben und Verkehrung ihrer Natur, welche du geschaffen und geordnet hast, oder durch unmäßigen Gebrauch des Erlaubten oder durch entflammte Lust nach dem Unerlaubten, das wider die Natur ist, oder sie laden Schuld auf sich, wenn sie mit Herz und Worten gegen dich wüten und wider den Stachel löcken. Oder sie durchbrechen die Schranke der menschlichen Gesellschaftssatzungen und freuen sich in ihrer Frechheit an Sonderverbänden und Trennungen, je nachdem sie etwas ergötzt oder ihren Ärger erregt. Das entspringt daraus, wenn dich die Menschen verlassen, o Quelle alles Lebens, der du bist alleiniger und wahrer Schöpfer und Regierer des Weltalls, und wenn sie in selbstsüchtigem Hochmute Einzelnes heben, das trüglich ist. Und in kindlich demütiger Liebe können wir zurückkehren zu dir; du reinigst uns von bösen Lüsten und schenkst deine Gnade denen, die ihre Sünde reuig bekennen, und erhörst das Seufzen der Gefangenen und erlösest uns von den Banden, die wir uns selbst geschmiedet, wenn wir nicht mehr gegen dich falsche Freiheitsgelüste hegen und ablassen von der Gier, mehr zu besitzen, die uns Gefahr schafft, alles einzubüßen, wenn wir unser Eigentum mehr lieben, denn dich, Gut aller Güter.
Neuntes Kapitel
Unter den Freveltaten aber und Verbrechen und so vielen anderen Unbilden sind auch noch die Sünden der in der Heiligung Fortschreitenden, die von gerecht Urteilenden nach dem Maße der erreichten Vollkommenheit getadelt und nach der Hoffnung auf gute Frucht wie die aufgrünende Saat gelobt werden. Auch sieht gar manches einer Sünde und einem Verbrechen ähnlich und ist es doch gar nicht, weil es weder dich, den Herrn unsern Gott, verletzt noch die menschliche Gesellschaft. So wird z. B. etwas zu Nutz und Frommen des Lebens in günstiger Zeit erworben, und ist es ungewiss, ob es nicht mir aus Habsucht geschieht, oder es wird manches von der dazu verordneten Macht in der Absicht, Besserung zu bewirken, bestraft, und ist unsicher, ob es nicht nur aus Schadenfreude geschah. Vieles, was die Menschen verworfen, ist doch nach deinem Zeugnisse gebilligt; über vieles aber dagegen, was die Menschen lobenswert finden, hast du dein Verdammungsurteil ausgesprochen. Denn oft ist das Äußere einer Tat ganz anders als Sinn und Absicht des Handelnden und die den Menschen in ihrer Eigentümlichkeit verborgenen Zeitumstände. Wenn du über irgendetwas völlig Ungewohntes oder Unerwartetes gebietest, auch wenn du es einstmals verboten hättest, so müsste doch jedenfalls dein Befehl befolgt werden, selbst wenn du die Ursache deines Gebotes zur Zeit noch verborgen hieltest und es gegen gesellschaftlichen Brauch der Menschen wäre, wenn jene menschliche Gesellschaft gerecht ist, welche dir dient. Glücklich sind die, welche wissen, was du ihnen befahlst, denn alles, was deine Diener tun, geschieht entweder zum Heile der Gegenwart oder auf die Zukunft hin.
Zehntes Kapitel
In meiner Unkenntnis der Dinge verlachte ich deine heiligen Knechte und deine Propheten. Aber da ich sie verlachte, was tat ich anders, als dass ich selbst ward ein Sport vor dir? Allmählich kam ich so weit in den Torheiten der Manichäer, dass ich glaubte, die Feige mitsamt ihrem mütterlichen Bäume vergieße milchweiße Tränen, wenn man sie pflücke. Wenn jedoch ein Auserwählter eine solche durch fremdes, nicht durch eigenes Vergehen abgepflückte Feige gegessen hätte, so würde er, wenn er sie verdaue, Engel, ja sogar Teilchen Gottes aushauchen, während er bete oder wenn es ihn aufstoße. Diese Teilchen des höchsten und wahren Gottes wären, so hatte man mir gesagt, an jene Frucht gebunden geblieben, wenn sie nicht die Auserwählten mit ihren Zähnen und ihrem Magen befreit hätten. Und ich Elender glaubte, man müsse den Früchten der Erde mehr Barmherzigkeit zollen als den Menschen, um derentwillen sie erschaffen; denn wenn ein Nichtmanichäer hungernd nach Speise begehrte, so wäre der Bissen gleichsam verdammt gewesen, den man ihm gereicht hätte.
Elftes Kapitel
Und du sandtest deine Hand von der Höhe und errettetest meine Seele aus der Tiefe der Hölle, da für mich meine Mutter in treuem Glauben zu dir weinte, mehr Wohl, als eine Mutter sonst den leiblichen Tod ihres Kindes beweint. Denn sie sah, dass ich tot war kraft des Glaubens und Geistes, den sie von dir hatte, und du hast sie erhört, o Herr! Ja, du erhörtest sie und verachtetest nicht ihre Tränen, damit ihr Auge die Erde netzte, denn sie flehte zu dir; du hast sie erhört. Denn woher kam ihr sonst jener tröstliche Traum, der sie aufrichtete, so dass sie mir wieder gestattete, bei ihr zu leben und mit ihr den Tisch zu teilen, was sie mir verweigert hatte in tiefer Abscheu vor den Lästerungen meines Irrtums? Sie träumte, ich stände auf einem hölzernen Richtscheit; da trete zu ihr ein Jüngling von glänzender Erscheinung, heiter und fröhlich, während sie traurig und schier vom Gram erdrückt war; der fragte sie, warum sie denn so traurig sei, und nach der Ursache ihrer täglichen Tränen, nicht aus Neugierde, sondern, wie gewöhnlich bei solchen Erscheinungen, um seine Belehrung daranzuknüpfen. Und als sie ihm nun antwortete, mein Verderben beklage sie, da gebot er ihr, sich zu beruhigen, und ermahnte sie aufzuachten und aufzusehen, denn wo sie wäre, da sei auch ich. Und da sie nun aufblickte, da sah sie mich neben sich stehen auf demselbigen Richtscheit. Woher kam dieser Traum, wenn nicht von dir, der du dein Ohr neigtest zu ihrem Herzen? O du Allmächtiger, Gütiger, der du für einen jeden von uns also sorgst, als hättest du nur für ihn allein zu sorgen, und dich aller so annimmst wie jedes Einzelnen. Da sie mir nun ihr Gesicht erzählt hatte und ich es gewaltsam dahin zu deuten mich unterfing, dass sie vielmehr nicht daran verzweifeln möchte, das zu vergessen, was ich war, da sagte sie rasch ohne alles Bedenken: „Mitnichten, denn es ist mir nicht verkündet worden: 'Wo jener, da auch du', sondern: 'Wo du, da auch jener.'" Dir, o Herr, bekenne ich soweit meine Erinnerung mich zurückgehen lässt , was ich auch sonst nicht verschwieg, dass ich mehr durch die Antwort, welche du mir durch die sorgende Mutter gabst, bewegt wurde, weil sie durch meine falsche, so naheliegende Auslegung nicht in Verwirrung gebracht wurde und so schnell das Richtige erkannte, was ich, bevor sie es aussprach, wahrlich nicht erkannt hatte, als durch den Traum, durch den dem frommen Weibe die erst viel später eintretende Freude zum Trost in ihrem gegenwärtigen Kummer vorausgesagt wurde. Denn neun lange Jahre folgten auf diese Zeit, in welcher ich in der Tiefe des Sündenschlammes in der Nacht des Wahnes mich umherwand und der ich, sooft ich mich erheben wollte, doch nur umso heftiger hineingestoßen wurde. Währenddessen jedoch hörte jene züchtige, fromme und weise Witwe wie du sie liebst nicht auf, in all ihren Gebeten zu dir klagend zu flehen um mein Heil. Schon war ihre Hoffnung lebendiger, doch ward sie trotzdem nicht lässiger in ihrem Weinen und Seufzen. Und es kam ihr Gebet vor dich, aber noch ließest du mich wälzen in jener Finsternis und von ihr eingehüllt werden.
Zwölftes Kapitel
Noch eine andere Antwort gabst du meiner Mutter, deren ich mich erinnere. Denn vieles übergehe ich, deshalb einerseits, weil ich zu dem eile, was mir dringender erscheint, es dir zu gestehen, andererseits, weil ich vieles vergaß. Jene andere Antwort gabst du ihr durch einen deiner Priester, einen frommen Bischof, in deinem Dienst erwachsen und in deiner Schrift wohlerfahren. Als ihn nun jenes Weib bat, mich einer Unterredung zu würdigen, um meine Irrtümer zu zerstreuen, mich vom Bösen abzubringen, das Gute aber mir beizubringen, so tat sie es, wenn sie glaubte, einen geeigneten Mann gefunden zu haben, da verweigerte er es ihr und tat klug daran, wie ich später erst erkannte. Denn er antwortete ihr, dass ich noch keiner Belehrung zugänglich sei, weil ich noch allzu sehr von jener neuen Irrlehre erfüllt sei und viele Unerfahrene schon mit verfänglichen Fragen beunruhigt hätte, wie sie ihm ja selbst anvertraut habe. „Lass ihn dort", so sagte er, „und bete für ihn zum Herrn; er selbst wird durch Lesen schon finden, was sein Irrtum ist und wie groß seine Gottlosigkeit." Dabei erzählte er, wie er, als er noch ein kleiner Knabe war, von seiner verführten Mutter den Manichäern übergeben worden sei, fast alle ihre Schriften gelesen und sogar oftmals abgeschrieben habe; wie er dann selbst ohne jemandes Überlegung und Überführung erkannt habe, wie verderblich jene Sekte sei und wie er sich von ihr losgemacht habe. Als sie nach diesen seinen Worten sich noch nicht beruhigen wollte, sondern unter strömenden Tränen ihn inständig bat, mich zu sehen und mit mir zu sprechen, da rief er in scheinbarem Unwillen: „Gehe, denn so wahr du lebst, es ist nicht möglich, dass ein Sohn solcher Tränen verlorengehe." Und oft sagte mir meine Mutter, wenn wir in unserem Gespräch darauf kamen, das Wort habe sie ergriffen, als sei es vom Himmel gekommen.